Wenn aus Kirchenraum lebendiger Kulturraum wird
Einen lebendigen Ort zu schaffen, der Platz bietet für Kunst, Kultur und Leben, der offen ist für Anwohner, internationale Gäste und alle Menschen, die die Stadt nach vorne bringen wollen – darum ging es beim Aachener Projekt HOTEL TOTAL. Hinter dem Projekt steht ein junges, soziales Unternehmen mit drei Visionärinnen aus Aachen: Julia Claire Graf, Anke Didier und Patricia Yasmine Graf, ausgebildete Designer- und Eventmanagerinnen, die sich gerne selbst als Lokalpatriotinnen bezeichnen. Um ihre Idee zu verwirklichen, haben sie das Pop-Up-Hotel ins Leben gerufen, welches im Sommer 2016 drei Monate in der leerstehenden Kirche St. Elisabeth in Aachen seine Pforten geöffnet hat.
Im Rahmen des temporären Testbetriebes wurden die gesellschaftlichen Bedürfnisse im soziokulturellen Wandel der heutigen Zeit erforscht. Die aktuellen Themen Raum- und Umnutzung, Entwicklung neuer Arbeits- und Organisationsstrukturen, Tourismus, Integration und Soziales wurden erfolgreich verknüpft, sowie neue Netzwerke innerhalb der lokalen Ökonomie ausgebaut um zu neuen sinnstiftenden und ganzheitlichen Lösungen zu finden.
Möglich gemacht wurde das Projekt „HOTEL TOTAL“ durch den Leitmarktwettbewerb „CreateMedia.NRW“, einer EFRE-Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Schirmherrschaft übernahm Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp. Gemeinsam mit vier Verbundpartnern, darunter die Fachhochschule Aachen mit dem Fachbereich Gestaltung und dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, die Fa. low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft Düren mbH und das ifu – Institut für Unternehmenskybernetik, einem An-Institut der RWTH Aachen, arbeiteten die Initiatoren die Strategie und das Konzept für das soziale Kulturhotel aus.
Dafür entstand unter anderem im Rahmen eines übergreifenden Semesterprojektes an der Fachhochschule Aachen das Design der temporären Hotelzimmer: Im Wintersemester 2015/16 arbeiteten rund 60 Studierende in zehn interdisziplinären Teams an verschiedenen Entwürfen. Jedes Team, bestehend aus Kommunikations-, Produkt- und Verpackungsdesignern, entwickelte unter einem selbstgewählten Überthema jeweils ein individuelles Konzept. Eine Jury wählte schließlich während der Semesterprüfung die fünf spannendsten Design-Konzepte aus.
Im Frühjahr 2016 präsentierten die drei Projekt-Initiatorinnen bei einem multikulturellen Picknick ihre Idee auf Arabisch, Französisch, Deutsch und Farsi, um Teilnehmer für die Mitarbeit zu begeistern. Gemeinsam mit Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen wurden anschließend unter fachlicher Anleitung der Fa. low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft Düren mbH zertifizierende Bauworkshops durchgeführt, in denen die Design-Konzepte der Studenten in 1:1 Größe umgesetzt und als würfelförmige Raum-im-Raum-Module freistehend in das Kirchenschiff gebaut wurden. Während der 4-monatigen Bauphase entstanden so in gemeinsamer Arbeit fünf individuelle Schlafzimmer für je zwei Personen.
Auch der gesamte Hotelbetrieb wurde gemeinsam mit Geflüchteten und Langzeitarbeitslosen gestemmt. Innovative Beteiligungs- und Beschäftigungsworkshops wurden mit dem Partner low-tec entwickelt um das Hotelpersonal zu qualifizieren und auf den zukünftigen Arbeitsmarkt vorzubereiten.
Am 05. August 2016 eröffnete das Pop-Up-Hotel in der ehemaligen Kirche seine Pforten. Zur Einweihung erschienen zahlreiche Medienvertreter und über 1700 neugierige Besucher.
Auch Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen, besuchte das Projekt und fand lobende Worte:
„Suchen Sie sich die Superlativen selbst aus! Das Projekt HOTEL TOTAL ist deshalb so spannend, weil hier interdisziplinäre Themen sinnvoll miteinander verknüpft wurden und dadurch etwas wirklich Neues entstanden ist. Genau dafür ist unser Leitmarktwettbewerb „CreateMedia.NRW“ gedacht.“
Bei einer Reihe von über 50 erfolgreich durchgeführten kleineren und größeren kulturellen Events sowie Dialog- und Netzwerkveranstaltungen und über 120 regionalen, überregionalen und internationalen Veröffentlichungen im TV, Radio, Print- und Onlinebereich sowie einer Anzahl von über 10.000 nationalen und internationalen Besuchern aller Gesellschaftsschichten, Generationen und Kulturen während der dreimonatigen Testphase, kann man sagen, dass die Projektziele vollständig erreicht, wenn nicht sogar übertroffen wurden.
Durch die Schaffung eines temporären, urbanen Kulturhotels als offenem Ort für Alle – internationale Reisende, Studierende, Bewohner der Stadt Aachen und Gastgeber aus aller Welt – wurden innovative Impulse zur gemeinsamen Stadtgestaltung gesetzt, echte Integration gelebt und das Lebensgefühl der Stadt nachhaltig positiv beeinflusst.
„HOTEL TOTAL ist ein sehr wertvolles Projekt für die Stadt Aachen. Meine Besuche dort habe ich als sehr inspirierend empfunden. Die Kreativität ist bis in jedes kleinste Detail spürbar, und dieser besondere Ort ist wie geschaffen dafür. Ich bin dort tollen Menschen begegnet, die eine Art „Anleitung zum Neudenken“ geschaffen haben. So etwas motiviert mich. Es wurden wichtige Impulse für unsere Stadt gesetzt und der Nährboden geschaffen, stärker auf Kreativität zu setzen und auf ein Milieu, in dem Menschen mit Mut und Ideen neue Wege gehen.“
Marcel Philipp, Oberbürgermeister der Stadt Aachen
Außerdem wurde in Zusammenarbeit mit dem ifU – Institut für Unternehmenskybernetik der RWTH Aachen eine hoteleigene City-APP entwickelt. Die HOTEL TOTAL App ist ein kostenloser, digitaler Reiseführer durch die Stadt Aachen und ihr Umfeld. Der Vision des Projektes folgend wurde die App nicht exklusiv für die Gäste des Pop-Up Hotels entworfen, sondern für alle, die Aachen erkunden wollen. Sämtliche Inhalte sind subjektiv ausgewählt und Lieblingsorte, – lokale und -läden der Visionärinnen und der Programmierer.
Die während des Projektes eingeführte eigene Währung „TOTALER“ vereinfachte das Bezahlsystem innerhalb des Testbetriebes. Der Einsatz eines modernen 3D-Druckers zur Herstellung dieser Währung in Kooperation mit dem Goethe-Lab for additive Manufacturing ermöglichte zusätzlich ein niederschwelliges Heranführung der Besuchergruppen an die technische Innovation des Schichtdruckverfahrens.
DerFachbereich Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Aachenunterstützte im Rahmen verschiedener Bachelorarbeiten die Erstellung eines tragfähigen Business- und Finanzierungsplans und führte eine professionelle Marktforschung durch. Des Weiteren wurden geeignete Finanzierungsmodelle für eine langfristige Nutzung untersucht.
Erfolgreiche, nachhaltige Kooperationen mit nahmhaften Unternehmen wurden initiiert. Unter Ihnen aachen tourist service, archigraphus, C/O Communication Agency, Carolus Thermen, Goethe Lab Aachen, Gemeinde Christus unser Bruder, designmetropole aachen, DEHOGA, Deubner Baumaschinen, eve matress, Future Hotels, FAB – fashion across borders, Future Lab Aachen, Fashionclash Maastricht, Landmarken AG, Ludwig Forum für internationale Kunst, Magdas Hotel Vienna, Maquii, Modemuseum Hasselt, Morgenwelt Hamburg, MofMof, Neomash, Piccobella, Pielentech, smooth, STAWAG, Taktvoll, Westwerk, Café Bar Zuhause, etc.
FILM by Till Braun: